Herstellung einer Glocke

Am Herstellungsprozess einer Glocke hat sich seit Jahrhunderten fast nichts geändert. Ein Benediktinermönch, der im 12. Jahrhundert unter dem Pseudonym Theophilus Presbyter lebte, verfasste die "Schedula diversarum artium", in welcher der Prozess des Glockengießens genauestens beschrieben ist. Die meisten deutschen Glockengießereien arbeiten noch heute in etwa nach dem selben Prinzip. Das sogenannte Lehmformverfahren soll hier nun dargestellt werden.

 

Die Rippe

 

Ohne die Rippe gibt es keine Glocke. Bei der Rippe handelt es sich um das Profil der späteren Glocke. Sie bestimmt über den Klang, das Gewicht und die Maße des späteren Instruments.

Der Glockengießer legt dies alles in komplizierten Berechnungen fest. Alle notwendigen Maße werden auf ein Brett oder ein starkes Metallblech übertragen und sowohl die innere als auch die äußere Rippenform gezeichnet. Diese Schablone ist im Formprozess unabdingbar.

 

Der Kern

 

Entlang der inneren Rippenform wird die Schablone ausgeschnitten. Diese wird drehbar an einer Spindel befestigt, sodass sie sich um ihre eigene Achse drehen kann.

Zuerst werden Ziegelsteine grob behauen und innerhalb der Schablone aufgemauert. Nach und nach werden anschließend immer feiner werdende Lehmschichten auf den Ziegelsteinkern aufgetragen und mit der Rippenschablone glattgestrichen. Ist der Lehm vollständig getrocknet, erhält dieser noch eine Trennschicht aus Graphit und anderen Zusatzstoffen.

 

Die falsche Glocke

 

Unter der falschen Glocke versteht der Glockengießer die eigentliche Glockenform aus Lehm, welcher als Platzhalter für die spätere echte Glocke dient. Hierzu wird die Schablone an der äußeren Rippenform entlang ausgeschnitten und erneut auf den Kern gesetzt. Auch hier ist es wieder notwendig, verschiedene Lehmschichten aufzutragen, welche erst grob und zum Schluss sehr fein sein müssen. Ist alles mit der Schablone glattgestrichen worden und gut getrocknet, wird auf die falsche Glocke eine Schicht aus Wachs oder Rindertalg aufgetragen, die ebenfalls mit der Schablone geglättet werden muss. Nun können verschiedenste Ornamente und Inschriften, die auch aus Wachs sind, auf die falsche Glocke gesetzt werden. Sind diese Arbeiten fertig, hat die Rippenschablone ausgedient.

 

Der Mantel

 

Nun wird nur noch mit Lehm gearbeitet. Eine feine Schicht aus Zierlehm auf der falschen Glocke macht den Anfang. Die nach und nach folgenden Lehmschichten werden immer gröber und dicker, sodass die Glockenform zum Schluss nur noch leicht zu erkennen ist. Man könnte fast meinen, einen massiven Lehmklumpen vor sich stehen zu haben. Dieser dicke Mantel ist jedoch notwendig, da die Form beim Gussvorgang selber unter enormen Druck steht.

 

Die Krone

 

Die Krone, woran die Glocke später auch befestigt wird, muss separat gefertigt werden. In der Regel gibt es ein simples Mittelstück aus Wachs, an welches insgesamt sechs Henkel angefügt werden. Die Anzahl der Henkel kann auch variieren. So gibt es bei sehr kleinen Glocken oftmals nur Kronen mit vier Henkeln oder gar zwei. Auf dem Mittelstück werden schließlich noch zwei Wachsrohre aufgesetzt. Das Ganze wird mit Lehm umschlossen und das Wachs durch Feuer ausgeschmolzen. Übrig bleibt ein Hohlraum. Dort, wo sich die Wachsrohre befanden, ist nun ein Eingussloch und in der Regel zwei Austrittslöcher vorhanden, da beim Guss sich die in der Form befindlichen Gase in Form von Feuer verflüchtigen müssen.

 

Die letzten Vorbereitungen

 

Die Glockenform an sich wird nun auch nochmals kräftig mit Feuer ausgebrannt, damit das Wachs, welches sich noch auf der falschen Glocke befindet, auslaufen kann. Der Mantel wird anschließend abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen. Die Mitte des Kerns füllt man mit Erde auf und positioniert in der Mitte die Klöppelöse. Zum Schluss wird der Mantel wieder auf den Kern gesetzt und oben die Kronenform eingepasst. Schlussendlich wird die Gießgrube samt der Form mit Erde aufgefüllt. Zu sehen bleibt lediglich der obere Teil der Kronenform, durch den später das Metall in die Glocke fließt. Zum Eingussloch wird noch ein Kanal vom Ofen aus gelegt. Der Guss kann beginnen!

 

Der Gussvorgang

 

Der Guss selber ist eine Sache von wenigen Minuten. Die Bronze, eine Legierung aus etwa 78 % Kupfer und 22 % Zinn, muss auf mindestens 1.100° Celsius erhitzt werden. Die passende Gusstemperatur muss vom Glockengießer festgelegt werden. Diese kann zwischen 1.100° C und 1.250° C liegen. Beim Gießen füllt sich die Form der Glocke von unten nach oben mit der flüssigen Bronze. Bei diesem spektakulären Ereignis sind meistens viele Zuschauer dabei.

Ob die Glocke jedoch wirklich gelungen ist und somit die wochenlange Vorarbeit nicht umsonst war zeigt sich erst, wenn das Metall erkaltet ist und die Glocke ausgepackt werden kann.

 

Der Feinschliff

 

Normalerweise ist die Bronze nach wenigen Stunden erkaltet, allerdings bleibt die Form, zumindest bei deutschen Glockengießereien, in der Regel mehrere Tage in der Erde vergraben. Zuerst wird die Erde aus der Gießgrube geschafft, ehe man die Glocke auspacken kann. Hierbei wird der Mantel abgehoben und der Rest der Form samt Glocke umgestürzt, sodass der Kern mit einem Brecheisen entfernt werden kann. Es folgen nun nur noch kleinere Bearbeitungen am Gussstück. Eventuell vorhandene Grate werden entfernt und die Glocke im schlimmsten Falle noch nachgestimmt, da die Berechnungen des Glockengießers nicht ausreichend waren.

Besteht die Glocke die Prüfung durch einen externen Glockensachverständigen, kann sie geweiht und aufgehängt werden!

Hier finden Sie eine Dokumentation über das neue Geläut der Marienkapelle in Simonskall, in deren ersten Teil der Form- und Gießprozess ausführlich gezeigt wird (hier wird die entsprechende Glocke jedoch im sogenannten Wasserglasverfahren hergestellt!): Film ab!

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, dass nichts bestehet,

Dass alles Irdische verhallt.

Friedrich von Schiller

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© Matthias Dichter