Die Vielfalt von Glockenrippen

Auch wenn für den Laien vermutlich alle Glocken mehr oder weniger immer gleich oder zumindest ähnlich klingen, so gibt es doch unter ihnen doch vor allem klanglich gravierende Unterschiede. Diese resultieren aus den unterschiedlichen Rippenkonstruktionen.

Zuerst aber gilt es, die Frage zu beantworten, was denn genau die Rippe ist. Die Rippe ist, wenn man es ganz simpel ausdrückt, einfach nur der Querschnitt der Glocke. Würde man eine Glocke in der Mitte durchschneiden und auf das blanke Metall schauen, so ist das zu sehende Profil die Rippe. Sie entscheidet maßgeblich über das Aussehen, aber vor allem über die musikalischen Eigenschaften der jeweiligen Glocke.

Die folgende Liste zeigt eine Auswahl an Glockenrippen nach musikalischen Kriterien.

 

- Molloktavrippe -

 

Die Molloktavrippe ist, einfach gesagt, der heute geltende Standard. Der Begriff "Molloktav" meint in dem Sinne, dass die Glocke neben einer Oktave als Unterton auch eine (wie bei fast allen anderen Glockentypen auch) Mollterz als deutlich zu vernehmenden Lauttöner besitzt. Eine Glocke mit dem Schlagton c' würde als Molloktavglocke folgenden Teiltonaufbau besitzen:

 

Schlagton: c'

Unterton: c°

Prime: c'

Terz: es'

Quinte: g'

Oktave: c''

 

Selbstverständlich können die Prime und auch die Quinte entsprechend erhöht bzw. vertieft sein. Solange Unterton und Terz gleich bleiben, redet man generell von einer Molloktavglocke.

 

- Nonrippe -

 

Glocken in Nonrippe weisen immer einen vertieften Unterton auf. Damit einhergehend sind meist auch die Quinten entsprechend vertieft, sodass man oft von Tritoni sprechen muss. Meist werden dann die Primen auch als zu hoch oder zu tief stehend eruiert. Hier ein Beispiel für eine Nonglocke mit dem Schlagton c':

 

Schlagton: c'

Unterton: ces° (oder tiefer)

Prime (V): ces' / des'

Terz: es'

Quinte (V): ges'

Oktave: c''

 

Glocken dieses Types goss z. B. der weltberühmte niederländische Glockengießer Geert van Wou ab 1497. Sein umfangreichstes erhaltenes Geläut, jenes im Dom zu Utrecht, besteht aus Nonglocken mit erhöhten Primen.

 

- Septimrippe -

 

Bei Septimglocken trifft man einen erhöhten Unterton an, der sich immer im Verhältnis zum Schlagton im Bereich einer Septime bewegt. Die Quinte wird meist zu hoch eruiert, während die Prime gleichsam erhöht oder vertieft sein kann. Glocken dieses Typs wurden vermehrt im 18. und 19. Jahrhundert gegossen. Wieder das bekannte Beispiel:

 

Schlagton: c'

Unterton: des° / d°

Prime: c' (höher oder tiefer)

Terz: es'

Quinte (V): g' (oder höher)

Oktave: c''

 

- Untermollsextrippe -

 

Mit dieser Rippenkonstruktion sind die Stahlglocken des Bochumer Vereins unzertrennbar verbunden. Der im ersten Moment recht kompliziert wirkende Name beruht auf den musikalischen Eigenschaften, welche diese Rippe besitzt. Der Unterton ist, im Gegensatz zu jenem der Oktavglocke, um eine Mollterz erhöht. In Relation zum Schlagton handelt es sich dabei um eine Sext. Auffällig ist, dass bei Glocken diesen Typs im Regelfall keine Quinten, sondern eher Sexten bis Septimen als "Vertreter" vorhanden sind.

 

Schlagton: c'

Unterton: es°

Prime: c' (höher oder tiefer)

Terz: es'

Quinte (V): as' (oder höher)

Oktave: c''

 

- Duroktavrippe -

 

Das Pendant zur Molloktavrippe ist, wie könnte es anders sein, die Duroktavrippe. Hier besitzt die entsprechende Glocke nicht die natürliche Mollterz, sondern eine Durterz. Das Klangbild einer solchen Glocke ist ein ganz anderes, als wie man es sonst kennt. Im Idealfall sieht der Teiltonaufbau einer Duroktavglocke so aus:

 

Schlagton: c'

Unterton: c°

Prime: c'

Terz: e'

Quinte: g'

Oktave: c''

 

Duroktavglocken mit reinen Quinten sind selten. Dadurch, dass es sich hierbei um eine eigentlich "unnatürliche" Rippenkonstruktion handelt, stehen oftmals auch die Duodezimen zu tief, sodass hier auch Probleme mit dem Schlagton auftreten können.

 

- Sekundschlagtonrippe -

 

Berühmt-berüchtigt, nicht nur unter Glockenexperten sondern auch unter Glockenfreunden, ist die sogenannte Sekundschlagtonrippe, die schon in den 1930er-Jahren vom Bochumer Verein entwickelt und damals noch als Oktavrippe bezeichnet wurde. Jedoch war diese Oktavrippe eine völlige Fehlkonstruktion, da anstelle der Schlagtonquarte, die jede Glocke besitzt, ein penetranter Sekundschlagton zu hören ist. Heute ist es üblich, Glocken und Geläute dieser Art auszutauschen.

 

Schlagton: c'

Nebenschlagton: d'

Unterton: c°

Prime: c'

Terz: es'

Quinte: g'

Oktave: c''

Neben dem musikalischen Aspekt gibt es auch die technische Seite einer Glockenrippe. Diese zeigt sich in der sogenannten Rippenschwere. Diese betrifft das Verhältnis der Tonhöhe zum Gewicht der jeweiligen Glocke. Als guter Standard gilt die mittelschwere Rippe, bei welcher eine Bronzeglocke mit dem Schlagton c' ein Gewicht von gut 2,4 Tonnen und einen Durchmesser von 1560 mm besitzt. Allerdings gibt es auch leicht- oder schwerrippige Glocken, die bei gleichbleibender Tonhöhe ein geringeres oder ein höheres Gewicht als eine Glocke in der sogenannten mittelschweren Rippe haben.

Leichtrippige Glocken haben den Vorteil, dass man bei geringem Gewicht und geringem Durchmesser relativ tontiefe Glocken zu einem günstigen Preis erhält. Jedoch neigen gerade solche Instrumente, eben durch ihr geringes Gewicht, zu einem gewissen Maß an Obertönigkeit und wenig Klangsubstanz, weswegen eine Entscheidung, sich eine Glocke oder gar ein komplettes Geläut in solch einer Rippe anzuschaffen wohlüberlegt sein sollte.

Bei schwerrippigen Glocken ist ein erhöhtes Maß an Klangvolumen vorhanden. Durch das höhere Gewicht und die dadurch auch höhere Wandstärke werden vor allem die Mixturen gedämpft, weswegen solche Glocken oftmals als grundtöniger empfunden werden.

Seit der Nachkriegszeit ist es bei größeren modernen Geläuten üblich, eine sogenannte progressive Rippe anzuwenden. Dem Geläut liegt eine bestimmte Rippenkonstruktion zugrunde, die jedoch bei den jeweils größeren Glocken eher leicht ist und zu den Diskantglocken hin immer schwerer wird. Dies macht man, damit sich die kleinen Glocken besser gegen ihre größeren Schwestern durchsetzen können. Ein ähnliches Prinzip findet man bei Glockenspielen bzw. Carillons.

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, dass nichts bestehet,

Dass alles Irdische verhallt.

Friedrich von Schiller

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© Matthias Dichter