RIED IM ZILLERTAL

Das reich mit Kirchen und Kapellen ausgestattete Zillertal im österreichischen Bundesland Tirol ist ein beliebtes Reiseziel für Wintertouristen und Freunde des Bergsteigens. Die Pfarrkirche zum hl. Johannes der Täufer in Ried liegt mittendrin. Der große spätbarocke Bau mit seinem markanten Zwiebelturm birgt eine reichhaltige historische Ausstattung in seinem Inneren. Bedeutend ist die im Jahr 1912 von den Gebrüdern Mayer in Feldkirch errichtete, rein pneumatisch angesteuerte Orgel.

 

Bis zum Jahr 2002 befanden sich im Turm vier Glocken aus den Jahren 1923 und 1947. Durch eine außergewöhnlich hohe Spendenbereitschaft der Bevölkerung wurde schließlich unter Pfarrer Erwin Gerst eine fünfte, noch größere Glocke hinzugefügt. Das dem hl. Josef Freinademetz geweihte Instrument konnte jedoch erst nach der Errichtung des neuen Holzglockenstuhles durch die Absamer Läuteanlagen aufgehängt werden. Die Jahre vergingen und im Spätsommer 2021 zeigte sich, dass ausgerechnet die große Glocke einen fast 46 cm langen Riss hatte. Daraufhin wandte sich Pfarrer Gerst an den Verfasser, um eine dauerhafte Lösung zu finden. Die Projektleitung übernahm hierbei der Campanologe Thomas Zimbelmann aus dem oberösterreichischen Bad Wimsbach.

Der Riss in der 2002 gegossenen Josef Freinademetz-Glocke.

Es war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass nur ein Neuguss dieser Glocke in Frage kam. Der Wunsch des Pfarrers war klar: die neue Glocke sollte der alten in ihrem äußeren Erscheinungsbild gleichen, jedoch gusstechnisch und klanglich noch besser als die ohnehin schon vor ihrem Sprung musikalisch sehr schöne Vorgängerglocke sein. Dies war eine besondere Herausforderung für den Verfasser, die noch dadurch gesteigert wurde, dass dieser sich selber das Ziel setzte, die neue Glocke so zu planen, dass sie in ihrem Klangcharakter besseren Anschluss an die vier anderen Glocken findet, ohne jedoch ihr eigentliches musikalisches Vorbild zu leugnen.

 

Es folgten zahlreiche Gespräche mit der Herstellerfirma sowie dem Wartungsdienst. Leider blieben diese fruchtlos, sodass nach Einholung sämtlicher Angebote der Zuschlag für den Neuguss an die Glockengießerei Royal Eijsbouts in Asten in den Niederlanden ging. Die Montage der neuen Glocke am vorhandenen Holzjoch sollte dann von der Salzburger Kirchturmtechnikfirma Schauer & Sachs übernommen werden. Der Guss erfolgte am 13.05.2022 in Asten. Kurze Zeit später konnte die Glocke dem Verfasser zur Werkabnahmeprüfung vorgestellt werden. Hierbei zeigte sich, dass das neue Instrument allen geforderten Vorgaben entsprach. Durch das präzise Berechnen der Rippe und die gewissenhaft ausgeführten Formarbeiten war im Nachgang auch keine Klangkorrektur notwendig.

Werkabnahmeprüfung der neuen Josef Freinademetz-Glocke in Asten.

Die Weihe durch Pfarrer Erwin Gerst und der Aufzug in den Turm erfolgten am 27.06.2022. In den darauffolgenden drei Tagen montierte die Firma Schauer & Sachs nicht nur die große Josef Freinademetz-Glocke, sondern tauschte zudem zwei falsch proportionierte Klöppel aus und installierte einen neuen Klöppelfänger an der kleinen Glocke von 1923. Das feierliche offizielle Erstläuten erfolgte schließlich am 03.07.2022, anlässlich des Hochfestes Peter & Paul, welches in Ried traditionell mit einer Prozession durch den gesamten Ort begangen wird. Die Tiroler Schützen schossen Ehrensalven für die neue Glocke und für alle, die für das Projekt verantwortlich gewesen sind - ein unvergessliches Erlebnis! Beim anschließenden geselligen Beisammensein im Festzelt war die Meinung der Bevölkerung einstimmig: die neue Glocke übertrifft die alte an Klangfülle und Klangschönheit! In der hiesigen Presse war selbst von der "Stradivari des Zillertals" die Rede. Durch diese positiven Rückmeldungen darf man gerne sagen, dass auch dieses Projekt als mehr als gelungen bezeichnet werden darf.

Die neue Josef Freinademetz-Glocke zu Ried im Zillertal.

Technische und musikalische Daten

 

Gießer: Royal Eijsbouts, Asten (NL)
Gussjahr: 2022
Material: Bronze
 
Durchmesser: 1576 mm
Schräge Höhe: 1233 mm
Schlagringstärke: 114 mm
 
Gewicht: 2.585 kg
 
Schlagton: c'+29,6
Unterton: c°+6,9
Prime: c'+13,9
Terz: es'+27,7
Quinte (V): as'-7,4
Oktave: c''+33,9
 
Abklingdauer: 120 Sekunden
 
(c) Matthias Dichter - Bezugston ist a' = 440 Hz, alle Abweichungen der sog. gleichstufig temperierten Stimmung werden in Halbton-100steln (Cents) angegeben
 
Inschrift (Schulter): 
 
HL. JOSEF FREINADEMETZ BESCHÜTZE UNSERE PFARRGEMEINDE
 
Inschrift (Flanke; rückseitig):
 
EIJSBOUTS ASTENSIS ME FECIT
ANNO MMXXII
PRIORIS AD INSTAR
 
Inschrift (oberhalb des Wolms; vorderseitig):
 
IN DER HEILIGEN KIRCHE GIBT ES UNZÄHLIGE ARTEN GUTES ZU TUN
ABER DIE VERDIENSTVOLLSTE IST, DEN GLAUBEN ZU VERBREITEN
 
Inschrift (oberhalb des Wolms; rückseitig):
 
VERGELTS GOTT
ALLEN SPENDERN UND GÖNNERN
2002 UND 2022
 
Weitere Verzierungen:
 
- Relief des hl. Josef Freinademetz auf der Vorderseite der Flanke

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, dass nichts bestehet,

Dass alles Irdische verhallt.

Friedrich von Schiller

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© Matthias Dichter