HINSBECK

Im Jahr 1617 wurde die Johanneskapelle in Hinsbeck erstmals in einem Brief des Bischofs von Roermond erwähnt. Umbauten erfolgten zwischen 1671 und 1672 sowie im Jahr 1854. Letzterer führte die Kapelle zu ihrem heutigen Erscheinungsbild. Seit dem Jahr 1950 kümmert sich die St. Johannes-Bruderschaft Hinsbeck-Schlöp um den Erhalt der Kapelle - sowohl mit finanziellen als auch aktiven Mitteln.

 

Als der Verfasser im Jahr 2024 die Glocken von St. Peter und der beiden Kapellen in Hinsbeck inventarisierte konnte festgestellt werden, dass die vermeintlich alte, 1975 rückgeführte Kapellenglocke nicht mehr vorhanden war.

Das ehemalige Instrument kann aufgrund eines Fotos dem Sieglarer Glockengießer Christian Claren zugeschrieben werden und wurde vermutlich im Zuge des neugotischen Umbaus der Kapelle im Jahr 1854 beschafft. Diese Glocke wurde im Zweiten Weltkrieg, zusammen mit den Glocken von St. Peter und der Kreuzkapelle, zum Einschmelzen abgeliefert, überlebte jedoch den Krieg. Ab diesem Zeitpunkt begann eine tragische Geschichte.

Die alte, nach dem Zweiten Weltkrieg verloren gegangene Kapellenglocke.

Die beiden 1514 gegossenen Glocken von St. Peter sowie die Glocken der Kreuz- und der Johanneskapelle überstanden die Kriegswirren unbeschadet und wurden nach Kriegsende auf dem Hamburger Glockenfriedhof aufgefunden. Von dort aus gelangten sie per Schiff zumindest in den Düsseldorfer Hafen. Die Rückführung nach Hinsbeck wurde durch den damaligen Pfarrer Joseph Arians verhindert, da dieser schon voreilig ein neues Geläut für seine Pfarrkirche bei der Glockengießerei F. Otto in Bremen-Hemelingen bestellt hatte. Stattdessen sollten die Hinsbecker Glocken zu dieser Gießerei transportiert und als Materialzugabe für das neue Geläut eingeschmolzen werden. Ein Veto der Denkmalschutzbehörde konnte dies glücklicherweise verhindern. So gelangte vorerst nur die größere der beiden spätmittelalterlichen Glocken von St. Peter zurück in Heimat. Einige Jahre später wurde die kleinere Glocke dieser Kirche an die katholische Nikolausgemeinde in Bremen-Gröpelingen verkauft.

 

Als die Glockengießerei Otto in den 1970er-Jahren ihre Pforten schloss, wurden auch die beiden Hinsbecker Kapellenglocken zurückgeführt. Während die Kreuzkapelle wieder ihre originale Glocke von 1727 erhielt, bekam die Johanneskapelle eine einfache Signalglocke ohne Inschrift. Diese wurde nur unzureichend am historischen Holzjoch der ehemaligen Claren-Glocke montiert und der Klöppel aus Stahlteilen aus der Landwirtschaft zusammengeschweißt.

 

Das Schicksal der Claren-Glocke wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Wurde sie vielleicht weiterverkauft und läutet nun irgendwo anders oder ist sie doch bei einem Glockenguss als Materialzugabe im Schmelzofen gelandet? Wir werden es wahrscheinlich nie wissen...

Die zwischen 1975 und 2025 im Einsatz gewesene Signalglocke. Der schlechte Zustand der technischen Anlage ist deutlich zu erkennen.

Es gab schließlich zwei Optionen, wie man weiter verfahren könnte, um der Johanneskapelle wieder eine läutbare Glocke zu verleihen.

 

Variante 1: Entfernen des historischen Holzjoches und des provisorischen Klöppels und anschließend erneute Montage der Signalglocke an einem angepassten neuen Joch mit neuem Klöppel.

 

Variante 2: Restaurierung des historischen Holzjoches und aller noch verwendbaren historischen Eisenteile und rekonstruktiver Neuguss der Kapellenglocke nach historischem Vorbild.

 

Aufgrund des erhaltenen Bildes und der überlieferten Maße der ehemaligen Glocke und nicht zuletzt auch aus Gründen des Erhaltes der verbliebenen historischen Substanz entschied man sich selbstverständlich für die zweite Variante.

 

So wurde der niederländische Glockengießer Simon Laudy mit dem Neuguss der Kapellenglocke beauftragt. Das Instrument sollte jedoch nicht in der Werkstatt, sondern im Rahmen eines Glockenfestes am 05. und 06.07.2025 vor Ort gegossen, entmantelt, geweiht und aufgehängt werden. Die Formarbeiten begannen Ende Juni in Finsterwolde bei Groningen und waren nach zwei vollen Werktagen abgeschlossen. Der Guss fand wie geplant am 05.07.2025 kurz vor 21 Uhr statt. Am darauffolgenden Morgen wurde die Glocke im kleinen Rahmen unter Anwesenheit der St. Johannes-Bruderschaft Hinsbeck-Schlöp ausgepackt und erstmals von Schützenkönig Thomas Kall angeschlagen. Danach wurde sie mit Drahtbürsten gereinigt, an einigen Stellen ziseliert und der Gussgrat an der Schärfe abgeschliffen. Nach erfolgter Montage an das von Tischlermeister Heinz Jennen restaurierte Holzjoch wurde die Glocke im Rahmen eines Festgottesdienstes von Pfarrer Benedikt Schnitzler geweiht und anschließend im Dachreiter montiert.

 

Die Freude über die neue Glocke war über den gesamten Tag nicht nur zu spüren, sondern auch zu hören. Viele Menschen ergriffen die Gelegenheit, um auch selber einmal am Seil zu ziehen und die neue Glocke erklingen zu lassen. So hat die Johanneskapelle dank des Einsatzes der St. Johannes-Bruderschaft wieder eine ihr würdige Glocke erhalten, welche hoffentlich noch in vielen hundert Jahren an ihrem angestammten Platz hängen und läuten wird!

Die neue, von Simon Laudy vor Ort gegossene Kapellenglocke vor der Weihe.

Technische und musikalische Daten

 

Gießer: Simon Laudy, Finsterwolde (NL)
Gussjahr: 2025
Material: Bronze
 
Durchmesser: 327 mm
Schräge Höhe: 238 mm
Schlagringstärke: 27 mm
 
Gewicht: 23 kg
 
Schlagton: f'''-52,0
Unterton: f''+7,8
Prime (V): es'''+13,3
Terz: as'''-45,1
Quinte (V): ces''''-6,3
Oktave: f''''-48,9
 
Abklingdauer: 17 Sekunden
 
(c) Matthias Dichter - Bezugston ist a' = 440 Hz, alle Abweichungen der sog. gleichstufig temperierten Stimmung werden in Halbton-100steln (Cents) angegeben.
 
Inschrift (Schulter):
 

+ SANCTE IOANNE + ORA PRO NOBIS + ANNUS SANCTUS MMXXV

 

Inschrift (Schlagring):

 

+ LAUDY GOSS MICH ZUM 125-JÄHRIGEN JUBILÄUM DER ST. JOHANNES-BRUDERSCHAFT HINSBECK-SCHLÖP

 
Weitere Verzierungen:
 
- Taufe Jesu im Jordan nach Vorbild des Altarbildes auf der Vorderseite der Flanke
- Medaillon in Form einer Wurzel mit Inschrift "AUS ALTER WURZEL NEUE KRAFT" auf der Rückseite der Flanke
- Stechpalmenfries oberhalb der Schulterinschrift
- Eichenlaubfries unterhalb der Schulterinschrift

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

Der mächtig tönend ihr entschallt,
So lehre sie, dass nichts bestehet,

Dass alles Irdische verhallt.

Friedrich von Schiller

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© Matthias Dichter